UNItopia News: Brett Smalltalk, Gruppe Diskussion, Artikel 1278
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Titel: Re: krieg
Artikel: 1278 Bezug: 1263
Verfasser: Fido Datum: 08.03.03 20:16:23
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Eleny schrieb:
> sicher ist die Folgerung - gegen USA = fuer Irak - eine falsche.
> Das aber habe ich ueberhaupt nicht behauptet. Auffallend ist
> jedoch, dass die Friedensbewegung sich auf die USA eingeschossen
> hat und Saddams Terrorregime vollkommen ausser Acht laesst.
Sicher hat die Friedensbewegung das im Moment, denn der momentane Aggressor
sind die USA, d.h. die Kriegsgefahr gehen von den USA aus, jedenfalls ist das
das Bild, das entsteht in der letzten Zeit.
Bush macht den Eindruck, als habe er sich schon laengst auf den Krieg
eingeschossen, Blair sowieso, und egal, was Hussein nun macht oder auch nicht,
dass es zu dem Schlag kaeme - ob mit Legitimation durch die UNO oder ohne.
Zum Thema Terrorregime spaeter noch etwas mehr.
> Wenn auf Demos Plakate "nicht Saddam ist unser Feind, sondern Bush" hoch
> gehalten
> werden, dann laeuft da einiges verkehrt. Damit habe ich
> Probleme. Keine Proteste vor irakischen Botschaften, keine
> Demonstrationen gegen Saddams Verstosse gegen die UNO-
> Resolutionen, etc. Auf ein Mal hat die Welt Angst vor
> der USA, vor der Allmacht Bushs (laechlerlich) und seiner
> Kriegstreiber. Nicht davor, dass Saddam vermutlich atomarem
> biologische und chemische Waffen besitzt ... Nein, denn die
Weder Bush noch Hussein ist unser direkter Feind.
Hussein hat nicht die militaerischen Mittel, eine direkte militaerische
Bedrohung fuer Europa und die USA darzustellen, er ist bestenfalls noch in
seiner Gegend eine gewisse militaerische Groesse im Moment. Sein Land ist an
die Wand gedraengt.
Bush dagegen ist sicher auch nicht der Feind, aber was er macht, ist auch
nicht korrekt, ich habe da einfach das Gefuhl, er verarscht uns ganz einfach
nach Strich und Faden, und mit ihm seine Regierung.
Wieso wurden z.B. die kompletten Unterlagen des Waffenberichtes des Irak nur
den USA zugaenglich gemacht, und nicht auch den anderen Mitgliedern des
Sicherheitsrates im vollstaendigen Umfang?
> UNO-Waffeninspektoren haben ja nichts gefunden ... Allzu
> gern laesst sich die Welt betruegen. Scheint so. Glaubt
> denn ersthaft jemand daran, dass die Waffen noch im Land
> sind und nicht wie von dem meisten Geheimdiensten und
> Irak-Experten vermutet laengst in Syrien? Oder in unedlich
Gegenfrage: glaubst du alles, was die Geheimdienste so behaupten ohne
Ueberpruefung? Es kam schon oft genug vor, dass die ach so hochgeruehmten
Geheimdienste Fakten herumgedreht hatten, verschwiegen hatten oder gefaelscht
hatten, bis es ihnen ins Konzept passte. Die CIA hat zudem auch schon mal aus
Demokratien Diktaturen gemacht, wenn es ihr passte.
Konkretes Beispiel in dieser Richtung: Der Chef der IAEO, Al-Baradei,
bezeichnete die von den USA vorgelegten Beweise im Weltsicherheitsrat als
Faelschungen.
Ich empfehle dir mal dazu diesen Artikel vom Spiegel zu lesen, vielleicht
siehst du es dann was differenzierter in Bezug dahin, wie viel Glauben man
Geheimdienstberichten schenken sollte:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,238970,00.html
Es waere meiner Ansicht nach fatal, den Geheimdiensten blind zu vertrauen.
Und zu dem Thema "Waffen" im Land, da empfehle ich dir das Buch "Krieg gegen
den Irak. Was die Bush-Regierung verschweigt" von Scott Ritter,
ISBN: 3462032119.
Ritter war von 1991 bis 1998 der Chefwaffenkontrolleur im Irak, ist selber
Republikaner und entlarvt die Thesen von diesen Waffen als Ammenmaerchen,
denn: 90-95 % der ABC-Waffen und die zu ihrer Herstellung noetige
Infrastruktur und die Produktionsanlagen seien zwischen 1991 bis 1998
nachweislich zerstoert worden, der Rest teilweise durch die Iraker ohne die
UN.
Die Nervengase Tabun und Sarin sind nach 5 Jahren unbrauchbar und harmlos,
Anthrax faengt nach 3 Jahren an zu keimen.
Bei einem Neuaufbau der Programme muesse der Irak von Null anfangen, was vor
allem im Bereich der Atomwaffen nicht unbemerkt bleiben kann wegen der
entstehenden Strahlung.
Und Ritter ist kein Pro-Hussein-Vertreter, und er ist ein ehemaliger
Parteifreund von Baby-Bush.
> Seht her - nicht Irak ist das Problem, nein, USA sind
> ein Problem, denn sie wollen Iraks Bereitschaft (!) zur
> Abruestung garnicht anerkennen, sie wollen nur Krieg. Polemik?
Das ist doch zumindest das Bild, wie es sich immer wieder zeigt, oder? Aber
wir werden ja noch sehen, wo das hinfuehrt.
> Ja! Auf beiden Seiten! Und das alles spielt ueberhaupt keine
> Rolle, denn es geht hier nicht primaer darum, ob ein Krieg
> gerechtfertigt waere oder nicht. Es geht auch nicht um die
Sicher geht es mitunter auch darum, ob ein Krieg gerechtfertigt waere oder
nicht.
Denn wenn er nicht legitimiert waere durch die UNO, wuerden wir uns wohl in
eine Zeit des Faustrechts und weg vom Voelkerrecht bewegen.
> Meiner Meinung nach sollte die Welt nicht deshalb gegen den
> Krieg vorgehen, weil ein Krieg von den USA angezettelt gegen das Voelkerrecht
> verstoesst. Das was der Welt wirtklich
> Sorgen machen sollte ist die Frage was oder wer kommt nach Saddam???? Die
> Gefahr, dass die Fundamentalistisch-religioese Kraefte an die Macht gelangen
> werden, ist enorm. Nicht der Krieg koennte zu einem Flaechen-
> brand in dieser Region fu sondern der panarabischreligioeser
> Fundamentalismus, der tatsaechlich wie ein
> Flaechenbrand um sich greift. Der den Fanatismus, der den Terror naehrt,
Hm... der Krieg also als eine Art Praevention gegen den
panarabischreligioesen Fundamentalismus? Kann man das so interpretieren hier,
ich bin mir da etwas unsicher.
Wenn ja: dann sei gesagt, der Krieg als Praevention wuerde das nicht bringen,
im Gegenteil, er wuerde es beschleunigen.
Pulami hat dazu schon einiges geschrieben. Der Irak hat drei wesentliche
Volksgruppen: die Schiiten (Mehrheit), Kurden (so ca. 25-30%) und der Rest
Sunniten.
Hussein ist Sunnit. Wenn nun der Krieg kaeme und die Schiiten kaemen an die
Macht, dann wuerden diese die Naehe zum Iran und seinen Mullahs suchen, und
damit haette man eine Verbreiterung dieser Basis erreicht.
Kaemen wiederum die Kurden an die Macht, wuerde das der Tuerkei ueberhaupt
nicht schmecken, und dementsprechend gaebe es da Probleme.
Und die Sunniten - naja, Hussein ist Sunnit, waere die Frage, ob die sich an
der Macht behaupten koennten.
> USA als Kriegstreiber, Oel, UNO, UN-Sicherheitsrat - das alles ist Polemik.
> Zumal die UNO sich zu einem Sammelsurium aus Interesenvertretern,
> Lobbyisten und Polemikern entwickelt hat.
Das ist nicht nur bei der UNO so, ds ist in jeder Institution so. Die
US-Regierung ist da nicht besser oder schlechter als die UNO denke ich, aber
die USA treiben es voran, das ist der Punkt.
Ohne das momentane Verhalten der USA allerdings haette es auch nicht diese
Fortschritte gegeben, die Frage ist nur, wie weit geht Irak noch, wie geht
gehen die USA.
> Mein erster Artikel entstand aus der Wur ueber die Einseitigkeit
> der Friedensbwegung ( ich meine natuerlich Wut). Diskutiert
> doch mal zur Abwechslung ueber Saddams Regime, ueber den
> Terror und was man dagegn machen koennte und hetzt nicht nur
Wir hetzen nicht. Was man gegen den Terror machen koennte? Schau dir mal die
Aussenpolitik an, die die USA oft betreiben (jetzt gerade wieder), und dann
frag dich mal, wieso da viele einen Hass auf die USA bekommen und die
westliche Welt.
Das Klimaprotokoll von Kyoto - wurde durch die USA nicht ratifiziert, sogar
der Wackelkandidat China hat es ratifiziert. Aber der groesste
Ressourcenverbraucher der Erde nicht.
Dann die Posse um den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag - das wurde
damals von Bill Clinton noch auf den Weg gebracht. Aber Bush will davon nichts
mehr wissen, es sollte sogar ein Gesetz verabschiedet werden, dass die US-Army
legitimiert mit Waffengewalt dort US-Militaerangehoerige herauszuholen.
Die Niederlande waren natuerlich not amused, zumal beide Laender in der NATO
sind.
Wobei in der arabischen Welt spielen weniger diese Dinge eine Rolle, sondern
vielmehr der Status der USA als Schutzmacht fuer den Staat Israel und das
Verhalten der Israelis gegenueber den Palaestinensern.
> gegen die USA - denn nicht USA sind unser Feind - der Saddam und der
islamische
> Fundamentalismus sind es.
Die USA sind nicht unser Feind - aber deshalb muss ich noch nicht alles, was
aus den USA rueberkommt automatisch fuer gut finden und bedenkenlos abnicken.
Unter Freunden muss man es auch mal verkraften, dass man sich gegenseitig die
Meinung sagt und auch anderer Meinung ist in bestimmten Themen.
Ausserdem in Bezug auf islamischer Fundamentalismus - es ist schon ein starkes
Stueck, Saddam Hussein und islamischen Fundamentalismus in einem Satz zu
nennen. Mehr dazu auch wieder in o.a. Buch - Hussein ist bekannt als
Islamistenfresser, er und Bin Laden sind Todfeinde.
Hussein ist vieles, aber er ist kein fundamentalistischer Islamist.
Dann noch zum Thema Terrorregime: es steht ausser Frage, dass das Regime von
Hussein mit menschenverachtenden Methoden und Terror arbeitet.
Ich und jeder vernuenftig denkende Mensch wuerde es auch begruessen, wenn dort
eine bessere Staatsform herrschen wuerde.
Nur: wenn man bei Hussein nun anfaengt, reicht das aus? Was ist mit Nordkorea,
wo man weiss, dass die ueber Atomanlagen verfuegen und diese wieder anfahren?
Dort werden die USA nicht eingreifen; zum einen, um einen Zweifrontenkrieg zu
vermeiden, zum anderen, um China nicht zu verärgern.
Was ist mit Tibet, welches seit Jahrzehnten von China besetzt ist?
Werden diese Laender dann auch angegangen, oder beschraenkt man es nur auf
diese eine Phase?
Es ist eigentlich wuenschenswert und besser, wenn ein solcher Umsturz durch
das jeweilige Volk bewerkstelligt werden wuerde.
Wenn das Volk es allerdings nicht schafft, und dann von ausserhalb jemand das
macht, ist es schwer, danach das Land wieder aufzubauen und langfristig zu
stabilisieren.
Dazu kommt, dass der Irak ein unglueckliches Konstrukt nach dem 1. Weltkrieg
ist und die Grenzen nicht historisch gewachsen sind, was die Sache nicht
einfach macht.
Das Hauptproblem, was ich und ich denke viele andere auch mit Bush und seiner
Politik haben, ist seine Schwarz-Weiss-Malerei.
Die "Achse des Boesen" ist ein Begriff, der von ihm stammt. Aber die Welt ist
nicht nur Schwarz oder Weiss, es gibt unendlich viele Schattierungen
dazwischen.
Und solche Vereinfachungen auf der Weltbuehne und in der Weltpolitik sind eben
unendlich gefaehrlich!
Momentan vergleichen manche die USA mit dem alten Rom; wo das alte Rom endete,
wissen wir alle.
Ich bin der Meinung, die momentane US-Regierung ist gefaehrlich in der
Hinsicht, dass sie den Weltfrieden staerker gefaehrdet als das ein Saddam
Hussein jemals koennte.
Die USA als Land haben eigentlich jemand besseres als Praesidenten verdient
als George W. Bush, der unter aeussert dubiosen Umstaenden ins Amt kam, und
zum Glueck denken laengst nicht alle US-Buerger so, wie sich die US-Regierung
gebaerdet.
F.