UNItopia News: Brett Smalltalk, Gruppe Diskussion, Artikel 1228

-------------------------------------------------------------------------------
Titel: Ein Angriff auf unsere Freiheit - Stoppt Buessow!
Artikel: 1228                                          Bezug: 0
Verfasser: Fireddl                                     Datum: 29.01.03 16:42:11
-------------------------------------------------------------------------------

Ein Angriff auf unsere Freiheit - Stoppt Büssow!
Ein Aufruf des Fitug e.V. an die Netzbewohner

http://www.fitug.de/news/pes/21012003_de.html

/(München, den 2003-01-29)/ Fitug fordert alle Netzbürger und alle
Netzvereine auf, sich gegen den Angriff auf ihre Freiheit zur Wehr zu
setzen. Unter der Federführung des Düsseldorfer Regierungspräsidenten Jürgen
Büssow sollen ausländische Netzinhalte großzügig ausgeblendet werden.
Informationen, die in ihrem Ursprungsland allgemein zugänglich und legal
sind, wollen die zu einem Dialog unfähigen Düsseldorfer Bürokraten aus ihrem
»deutschen Internet« gestrichen sehen. Verwaltungsgerichte haben die
Anordnung mit einer kaum nachvollziehbaren Begründung bestätigt.
/Feind-Radio wird wieder verboten./ Vorherige Versuche, in einen Dialog
einzutreten, sind misslungen, also müssen politische Aktionen unserem
Anliegen mehr Gehör verschaffen.

*Der Hintergrund*

Nichts in der Diskussion um die Sperrverfügungen ist wirklich neu: Schon
1997 waren Filterpläne im damaligen Internet-Medienrat zur Sprache gekommen,
und schon 1997 hatte Fitug diese Pläne mit guten Gründen abgelehnt. Eine
umfangreiche Studie [10] zeigte die Unmöglichkeit einer effektiven
Filterung. Das fragwürdige Vorbild Singapurs demonstriert, wie zutreffend
die Resultate dieser Studie waren. Singapur [2] ist heute das lebende
Beispiel, dass die Studie der Köhntopps Recht behalten hat. Neu ist nur, mit
welcher Hartnäckigkeit Diplom-Pädagoge Büssow seine verfehlten Auffassungen
durchzusetzen sucht. Gegenargumente [1] werden dabei schlicht ignoriert.

Im Vorfeld der Sperrverfügungen hatten sich die betroffenen Internetprovider
und der Regierungspräsident darauf geeinigt, daß die Situation gerichtlich
geklärt werden solle. Eine sofortige Vollziehung der Sperrverfügungen sollte
nicht angeordnet werden; Klagen hätten aufschiebende Wirkung entfaltet. An
diese Vereinbarung fühlte sich das Regierungspräsidium aber offenbar nicht
gebunden: Überraschend wurde am 6. September 2002 der sofortige Vollzug der
sehr umstrittenen Sperrmaßnahmen angeordnet. Dies geschah trotz der unklaren
technischen Situation, trotz der vielen ungelösten rechtlichen Fragen, trotz
der unklaren datenschutzrechtlichen Situation, trotz des tiefen Eingriffs in
unsere Freiheit, Informationen aus aller Welt zu empfangen, trotz der
schwerwiegenden Eingriffe in Menschenrechte in einer unklaren Situation.

Dabei wird es beim Versuch bleiben müssen: Denn die vorgeschlagenen
Maßnahmen sind schlicht ungeeignet, um das vom Regierungspräsidenten
scheinbar gewünschte Ziel auch wirklich zu erreichen. Die Sperre ist leicht
zu umgehen. Verfügt wurde die Sperrung von gerade einmal zwei von mindestens
1500 relevanten Web-Sites. Verfügt wird nicht etwa ein Verbreitungsverbot
für kriminelle Inhalte: Verfügt wird die sozialpädagogische Überwachung der
Internetgewohnheiten aller Nutzer. Nicht die Web-sites werden gestoppt,
sondern uns sollen die Augen zugehalten werden.

Gegen die Sperrverfügung und die Anordnung ihres sofortigen Vollzuges gingen
viele Provider gerichtlich vor. Von vier Gerichten bestätigen drei die
Anordnung der sofortigen Vollziehung. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf [5],
Verwaltungsgericht Arnsberg [6] und das VG Gelsenkirchen [7] haben sich im
Zweifel gegen die Freiheit ausgesprochen. Die Verletzung der Rechte der
Nutzer von Internet-Dienstleistungen, die Privatisierung des Vollzuges von
grundrechtsrelevanten Entscheidungen der Verwaltung, wird in den
Gerichtsbeschlüssen nicht einmal gestreift. Die Ausführungen zur Verletzung
unserer Grundrechte sind dünn - zu dünn. Die Gerichte verstehen das Problem
nicht und gehen den Weg des geringsten Widerstands. Kein Gericht hat sich
wirklich damit auseinandergesetzt, dass die fraglichen Inhalte in den USA
liegen und dort legal sind. Die Tatsache, dass ein Provider in Deutschland
eine Leitung zur Verfügung stellt, aus der Bits tropfen, wird wohl als
ausreichender Anknüpfungspunkt gesehen, um weltweit alle Inhalte der
deutschen Medienbürokratie unterzuordnen.

Damit sind fast alle nordrhein-westfälischen Provider verpflichtet zwei
Web-sites zu sperren. Wie sie diese Sperrungen wirksam umsetzen sollen,
wissen die Provider jedoch nicht: Die Diskussionen vor dem
Verwaltungsgericht Düsseldorf etwa beschränkten sich auf die Frage, ob
Sperrungen »theoretisch möglich« seien. Zuwiderhandlungen gegen derart
theoretische Gerichtsbeschlüsse können nun jedoch ganz praktisch mit
Sanktionen belegt werden.

Anders, als man in Düsseldorf glauben machen will, geht es nicht darum, ein
paar Neonazis aus dem Web zu entfernen: Es geht ganz einfach um die Frage,
ob sich Netznutzer in der Bundesrepublik auch in Zukunft noch frei darüber
unterrichten können, was anderswo auf der Welt gesagt wird - oder ob sie
die Informationsgesellschaft nur noch durch den Filter eines Sozialarbeiters
im Amt des Regierungspräsidenten wahrnehmen dürfen.

Es ist unerträglich, dass der DGB in NRW diesem Treiben noch Vorschub
leistet. Man beschmutzt die Symbole des Holocaust, wenn man sich nicht gegen
die Web-sites selbst wendet, sondern gegen die eigenen Bürger, wie das hier
getan wird.

*Der Appell*

Der weitere Prozess muss von hinreichendem politischen Druck und von der
Aufmerksamkeit aller Medien begleitet werden. Deswegen fordert Fitug alle
Netz-Vereine und alle Netzbürger zu politischen und gemeinsamen Aktionen
auf. Wer Interesse hat mitzumachen soll sich bei uns <lutz@fitug.de> melden.
Wir selbst werden unsere Aktionen national und international koordinieren.

*Links*
 [1] Die erste Stellungnahme von Fitug;
     http://www.fitug.de/news/pes/fitug-020414.de.html
 [2] UN-Studie zu Singapur;
   http://unpan1.un.org/intradoc/groups/public/documents/apcity/unpan002726.pdf
 [3] Materialien und Aktionen zu Büssow bei Odem.org; http://odem.org/
 [4] DAVID; http://www.david-gegen-goliath.org/Materialsammlung.pdf
 [5] Urteil des VG Düsseldorf;
     http://www.afs-rechtsanwaelte.de/Pages/URTEILE111.HTM
 [6] Urteil des VG Arnsberg;
     http://www.artikel5.de/entscheidungen/vg-arnsberg_20021206.html
 [7] Urteil des VG Gelsenkirchen; http://www.jurpc.de/rechtspr/20030036.htm
 [8] Urteil des VG Minden;
     http://www.artikel5.de/entscheidungen/vg-minden_20021031.html
 [9] Übersicht bei Artikel 5;
     http://www.artikel5.de/entscheidungen/sperrungsanordnungen_2002.html
[10] Kristian Köhntopp et al. zum Versuch in 1997, ausländische Seiten zu
     sperren; http://www.koehntopp.de/kris/artikel/blocking/index.html
[11] Felipe Rodriguez (Burn the village to roast the pig)
     http://www.xs4all.nl/~felipe/OSCE_paper.pdf
[12] Erklärungen von FITUG zu Grenzkontrollen im Netz
     http://www.fitug.de/news/pes/012000-k.html (Kurzfassung)
     http://www.fitug.de/news/pes/012000-l.html (Langfassung)
[13] Büssows Seiten;
     http://www.brd.nrw.de/BezRegDdorf/hierarchie/themen/Sicherheit_und_Ordnung
/Medienmissbrauch/Gerichtliche_Entscheidungen_zu_den_Sperrverf__gungen_bzgl_rec
htsextremistischer_Internet___Inhalte.php

*Über Fitug*

Der Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft Fitug e.V. schafft
Verbindungen zur virtuellen Welt der Neuen Medien und der Datennetze. In
unserer Satzung heißt es dazu: »Zwecke des Vereins sind die Förderung
der Integration der neuen Medien in die Gesellschaft, die Aufklärung über
Techniken, Risiken und Gefahren dieser Medien, sowie die Wahrung der
Menschenrechte und der Verbraucherschutz in Computernetzen.« Der Fitug e.V.
ist Mitglied im europäischen Verbund EDRi und im weltweiten Dachverband
Global Internet Liberty Campaign (GILC)