UNItopia News: Brett Medien, Gruppe Kinofilme, Artikel 1896

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Titel: Troja...
Artikel: 1896                                          Bezug: 0
Verfasser: Pizza                                       Datum: 24.05.04 15:05:53
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Liebes Kinovolk.

Eigentlich wollte ich ja zur Pause gehen. 
Meine Freundin meinte aber: Wir haben die Tickets bezahlt.
Die Freundin, die mit uns im Kino war (studierte Archaeologin und
Liebhaberin von Homer), war bewegungslos erstarrt, die Finger in 
die Lehnen gekrallt. Nach einiger Zeit gestand sie, dass das der
einzige Weg sei, ein Schreien zu verhindern.

Ich rede hierbei ueber den absolut schlechtesten Film, der mir
seit einiger Zeit untergekommen ist. Ich versuche mal, so 
sachlich wie moeglich zu berichten.
Also, es geht, wie wir alle ahnen, darum, das der grosse
Held Achilles nach Troja reist, um dort heroisch zu sterben, auf
das sein Name ewig lebe. Das macht er eigentlich, weil irgend ein
unhoeflicher Kerl namens Frodo... nein, Paris, die Helena geklaut
hat, und uneigentlich, weil ein gar furchtbarer Mensch namens
Agamemnon gerne die ganze Welt regieren wuerde. Das war dann der Plot.

Was macht den Film nun schlecht?
- Die Story. 
Selbst wenn man nun kein Kenner der Ilias sei (als Kenner wird einem
einfach nur schlecht), weiss man vielleicht, dass gerade die Ilias
von vielen netten bunten Nebenplots lebt, sich aber eigentlich
voll auf den Helden Achilles konzentriert. Hier scheitert Troja
vollkommen, schon weil alle Nebenplots aufgesetzt und sinnlos 
wirken, und teilweise ein ganzen Haufen Plots bis zur Unkenntlichkeit
in einen verwoben wird. Erinnern wir uns aus der Ilias an Briseis? 
Die gute uebernimmt hier alle weiblichen Nebenrollen, und, bin mir
nicht ganz sicher, vielleicht noch eine maennliche. Sie toetet sogar
Agamemnon, dessen Frau sich darueber vermutlich eher aergert. Ansonsten
passiert in dem Film nichts, doch alles viel zu schnell. Zieht
man 12 Tage Totenruhe ab, so ist die Geschichte in 4 Tagen erledigt.
10 Jahre brauchen nur Anfaenger.

- Die Charaktere.
Hier ist die Stelle, wo man wohl absolut schreien muesste. Meine Guete,
so einen grossen Haufen Leute, die einem alle unsympathisch sind, hat
man ja selten gesehen. Daran ist sicherlich aber auch 
- das Drehbuch
schuld, den Schreiber desselben sollte man... naja, das ist ein
jugendfreies Bord. Hirnloser Pathos, wie solche Dinge wie "Du bist
der beste Mensch auf der ganzen Welt!" zu Hektor sollen Sympathien
erregen, scheinbar kann ja der Schauspieler das nicht alleine.
Am Ende droht einen sinnlosester Pathos absolut zu erschlagen, und 
manchmal tut es auch einfach weh, was da so kommt: "Hey, du, wie heisst
du?" - "Aenaeas." - "Gut, bring du die Leute aus der Stadt."
Naechste Szene.
Besonders ueberzeugend auch die Szene, als Briseis mit Messer in der
Hand Achilles umbringen sollte (oh wie wuenscht man sich, dass sie
einfach zusticht) und nach ein paar hohlen Worten liegen die beiden
dann knutschend im Zelt rum. Meine Guete. Vollkommen unmotiviert.

- Die Action.
Troja. Leute stehen auf den Mauern. (viele Sekunden)
Eine Kuppe, niemand zu sehen. (viele Sekunden)
Troja. (viele Sekunden) ...
und dazu "spannungserzeugende" Musik. 
Bringt mich eher zum Gaehnen. So kriegt man einen Film gut auf ueber
3 Stunden.
Dann sieht man endlich wild durcheinanderrennend einen Haufen Griechen
auf Troja zurennen, wild durch den Sand. Aha. So war das damals also.
Also neeeeee, tut mir leid.
Dann gibts erstmal ein "grosser boeser Mann" verpruegelt Frodo. Ach nee,
Paris. Dann kurzes Gekloppe, und dann rennen sie auch schon wieder.
Richtig viel passiert eigentlich eh nie in dem Film, und da jeglicher
Tiefgang der Story fehlt, ist Spannung sicherlich nicht vorhanden.
Und irgendwie toll war das eh nicht, was es da zu sehen gab.

- Die Kulisse.
Also hier koennte ich mich ja jahrelang aufregen. Meine Guete. Ist
das die Idee, die Amerikaner vom alten Griechenland haben? 
Also, erstmal fragt man sich, warum die Tempel schon damals tausende
Jahre alt waren. Dann fragt man sich, warum die Goetterstatuen eher
nach Azteken aussehen, und was das ueberhaupt darstellen soll. Dann
besteht Troja nicht hauptsaechlich aus Holz, sondern hauptsaechlich aus
Stein (brennt aber wie Zunder). Und ueberhaupt, schon gewusst, dass
Troja das Tor (ohne Strasse oder so) zu einem riesigen Sandstrand hat,
mit Sandebene vor der Stadt, und es auch um Troja keinerlei Felder gibt?
Im Gegensatz zu Minas Tirith hats aber keinen englischen Rasen.
Aber die Felder sind scheinbar halt weit weg, denn selbst Stunden
nach der Anlandung der Griechen rennen immer noch Leute in die Stadt in 
Sicherheit - wo auch immer die herkommen.
Dann kaempft man scheinbar ohnehin nur auf Sand, ueber den man die
Soldaten erst mal joggen laesst - wie sollen die sich sonst auf den
Kampf freuen, wenn sie endlich aufhoeren duerfen, durch Sand zu waten?
Witzig auch die Schiffe, die sich aequidistant in die Unendlichkeit
erstrecken. Wahrscheinlich muessen die Soldaten, die 10 km entfernt
anlanden, zuerst noch diese Strecke durch den Sand joggen, damit sie
motivierter sind. Ok, es reicht, ich gebs zu.

Also, ehrlich. Wenn man sich den reichen Legendenschatz der Ilias anschaut,
und die schoene Geschichte Griechenlands, da tut einem nur alles weh,
von Kopf bis Herz, wenn man so einen Sch$%^$% anschauen muss.

Ach ja, ein besonderes Schmankerl fuer alle, die schon mal auf Larps waren:
Was tragen Griechen unter ihrer Ruestung? Na????? NICHTS!

Ach ja, und ihr fragt euch, wo die Goetter abgeblieben sind? Die, die
den ganzen Mist erst ausloesten? Aphrodite wenigstens, die Paris
am Anfang verfuehrt? Nichts, niente. Man kann es eigentlich kurz
zusammenfassen: Der Herr Petersen hat die Ilias genommen, alles, was
in dem Film toll gewesen waere, weggestrichen und den Rest verfilmt.

Was uebrig bleibt, ist ein hirnloses Koenigendrama mit einem 
Superstar Achilles, dessen einziges Leitmotiv die Eitelkeit ist.

Nein danke.

0.1/10 (fuer den tollen Blick von Peter O'Toole als Priamos gibts
0.1 Gummipunkte)

Der Chaostiger (zwei Tage her, und ich koennte immer noch stundenlang
weitererzaehlen, was das fuer ein Mist ist)