UNItopia News: Brett Medien, Gruppe Buecher, Artikel 1167

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Titel: Dan Brown
Artikel: 1167                                          Bezug: 0
Verfasser: Merry                                       Datum: 10.10.05 23:16:06
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Nachdem man ja nicht mehr durch die U-Bahn gehen kann, ohne ueber
Horden von Leuten zu fallen, die geheimnisvolle Buecher namens
"Sakrileg" oder "Illuminati" in den Haenden halten, habe ich es jetzt
endlich auch geschafft, diese zu lesen. Und zwar beide, auch wenn ich
dazu ganz schoen lange gebraucht habe. Warum, das sieht man
gleich. Also, worum geht's?

Der etwas weltfremde amerikanische Professor Langdon wird ploetzlich
aus seinem akademischen Leben herausgerissen und an den Schauplatz
eines grausigen Mordes gefuehrt, der offenbar irgendetwas mit
seltsamen Symbolen und damit seinem Fachgebiet, der Symbologie, zu tun
hat. Zu allem Ueberfluss findet er sich ein einer bizarren,
fremdartigen Umgebung wieder: in Europa! Zum Glueck trifft er bald
eine ebenso huebsche wie kluge einheimische Europaeerin, die ihm zur
Seite steht. Gemeinsam begeben sie sich auf eine rasante
Schnitzeljagd, deren Spuren aus alten Symbolen und Geheimnissen
bestehen. Dabei stellen sie rasch fest, dass sie sich in einem
toedlichen Wettlauf mit boesen Maechten befinden.

So, das war eine extrem Platz und Zeit sparende Zusammenfassung, denn
damit hat man direkt zwei Buecher erledigt: Illuminati (Angels und
Demons) und Sakrileg (the Da Vinci Code). Irgendwie wird man naemlich
das Gefuehl nicht los, dass Dan Brown dasselbe Buch gleich zwei Mal
geschrieben hat, so sehr aehneln sich das Setting und die Elemente der
Handlung. Und was auch beiden Buechern gemeinsam ist: so streng mit
den Details oder der Wirklichkeit nimmt es der Autor nicht, und
genaues Recherchieren ist seine Sache auch nicht. Es vergeht kaum eine
Seite, auf der nicht ein groesserer oder kleinerer logischer Bock
geschossen wird.

Zu seiner Ehrenrettung muss man sagen, dass er das auch von Anfang an
deutlich macht: In Illuminati wird Langdon direkt zu Beginn von
einem Ueberschalljet abgeholt, der offenbar dem Direktor des CERN zur
privaten Verfuegung steht. Das ist derart abstrus, dass dem Leser hier
gleich klar ist, dass es sich um eine Raeuberpistole a la James Bond
handelt, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. 

Brown ist ganz offenbar von einigen Themen besonders fasziniert, zum
Beispiel von Europa, der Physik oder der katholischen Kirche. Nur dass
er leider von keinem so richtig Ahnung hat. Die Geschichte ist zwar -
wenn auch komplett unrealistisch - trotzdem spannend, aber ich gehoere
zu den Leuten, die sowas doch sehr stoert, und das erklaert, warum ich
mich echt durchkaempfen musste und Monate fuer die Buecher gebraucht
habe. Besonders laestig ist fuer mich, dass Brown immer einen leicht
arroganten Unterton drauf hat, wenn er ueber Wissenschaft und
insbesondere seine Symbologie redet, und das kommt irgendwie nicht so
gut, wenn so Vieles vorne und hinten nicht stimmt.

Vor allem finde ich es - als Europaeer und Physiker - doch sehr
erschreckend, wie wenig Brown weiss, wenn man bedenkt, dass Brown ja
sicher fuer eine ganze Reihe auch gebildeter Menschen steht, und dass
viele Leser die "Fakten" im Buch fuer bare Muenze nehmen
werden. Halten die Amerikaner Europa wirklich fuer einen Polizeistaat?
Kann das sein, dass nach fast einem Jahrhundert Relativitaetstheorie
nicht bekannt ist, was E=mc^2 bedeutet? Und sollte man nicht annehmen,
dass der Energieerhaltungssatz mittlerweile Allgemeingut ist? Auch das
zieht sich so durch die Buecher durch, zusammen mit Urban Legends
(Galilei als Maertyrer der Inquisition etc.), einem reichlich
seltsamen Verstaendnis des Zoelibats oder romantischen Vorstellungen
ueber italienische Pruederie.

Na ja. Irgendwie finden am Schluss doch alle Faeden gluecklich zu
einem Ende, und das ist auch schon eine Leistung fuer sich, vor allem,
weil das nun wieder ueberzeugend und intelligent gemacht ist. Auch die
Schnitzeljagd mit ihren Raetseln ist in beiden Buechern spannend und
geistreich angelegt. Alleine dafuer lohnt es sich schon, die Buecher
zu lesen. Es sei denn, man stoert sich an diesen Holprigkeiten und
liest lieber Thriller mit sauber recherchiertem Hintergrund. Aber dann
liest man besser Eschbach.


Viele Gruesse!
Merry